Auschwitz


‹Wer die Geschichte nicht erinnert, ist verurteilt, sie neu zu durchleben.›

George Santayana, (steht über dem Eingang an Block 4 in Auschwitz)

An dieser Stelle gehört wohl eine Triggerwarnung hin:

In diesem Eintrag berichten wir über unseren Besuch in Auschwitz, Birkenau und schreiben nieder, was wir gesehen und erlebt haben. Es gibt einige Bilder im Fliesstext die das Gesehene abbilden. Wer dies nicht erträgt, es verständlicherweise zu fest berührt, sollte diesen Eintrag besser nicht lesen!

Unser Tag startete mit dem Wecker und bereits einer etwas sentimentalen Stimmung.
Wir haben uns die Tage und Wochen davor schon mit Podcast, Reportagen und kleinen Filmen über das heutige Erleben informiert und unser bereits vorhandenes Wissen aufgefrischt.
Gestern hörten wir einige live Interviews von ehemaligen Gefangenen, hörten den Schmerz in ihren Stimmen und konnten das Erzählte kaum glauben.
Das wir uns heute auf den Weg dahin machen, war eher mein Wunsch und ich bin froh, kommt Marco mit.
Es wird uns beide bewegen und wahrscheinlich auch noch Tage lang beschäftigen.
Aber gerade in der aktuellen Zeit, wo wir jeden Tag vor Augen gehalten bekommen, was ein einziger Mann mit Propaganda und seinen Marionetten anstellen kann, ist es fast schon eine Pflicht, dahin zu gehen.
Nichts desto trotz ist das Thema eines der wenigen, die mich schon immer sehr interessierten und ich kann mich gut erinnern, wie ich oft meinen Grossvater nach seinen Erlebnissen befragte und er mir immer wieder die selben Dinge von den Goldzähnen, den geheimen Paketen und und und erzählte.

Die Stunde Fahrt ging ruck zuck vorbei und wie überall beschrieben, stehen die Parkwärter, winken dich mit Schildern zu ihren Parkfeldern welche du teuer bezahlen musst.
Es irritiert komplett, sodass auch wir ein bisschen stutzig wurden, dass direkt vis a vis des 30 Zloty teuren Parkfeldes, eine geteerte Parkfläche zur Gratisnutzung war.
Wir übersetzten jedes Schild und hatten eben den Eintrag aus iOverlander, welcher genau das besagte, dass man hier gratis parken darf.
Einzig ein Wohnmobil und ein anderer PW standen auf der Fläche und von nun an auch noch Gian Franco der Dritte.

Wir liefen die guten 700 Meter zu Auschwitzareal und assen unterwegs noch unser gekauftes Brötchen von gestern.
Schon von weitem war klar, was uns hier erwarten wird und waren über die Menschenmassen erstaunt.

Viel zu früh waren wir da, denn in der Mail stand, dass man 30 Minuten vor Beginn der Tour vor Ort sein soll.
Wir fragten, wo diese starten würde, denn eigentlich stand Parkplatz vom Museum als Lage, was wir uns jedoch nicht vorstellen konnten.
Natürlich wurden wir dann rein geschickt und lächelnd gefragt, wieso wir schon 1,5 Stunden vor Beginn hier seien…
Naja, wir wussten halt nicht, ob es noch Stau geben würde, ob wir den richtigen Ort hatten denn es gibt ja eben 2 Areale und es mit dem Parkplatz funktionieren würde.

Als erstes mussten wir durch den Sicherheitscheck, wie am Flughafen wird das Gepäck und du selber auch gescannt.

Danach hielten wir uns lange im Shop auf uns lasen das gesamte Heft durch, welches eigentlich zu Kauf da lag. Naja, wir wurden weder komisch angeschaut noch angesprochen. Wahrscheinlich waren wir nicht die ersten.

5 Minuten vor Start tauchte dann eine kleine Dame auf, hielt das Schild ‹Deutsch› in die Luft und nahm uns in Empfang.
1 Minute vor offiziellem Start waren wir bereits auf dem Weg in den Keller, bekamen ein Audioguide und Kopfhörer und verstanden die Führerin so viel besser. Denn sie sprach quasi in ein Mikrofon was uns dann übertragen wurde.

Mit ihrem polnischen-deutschen Akzent stellte sie sich vor und machte uns vertraut mit dem, was in den nächsten Stunden auf uns zukommen wird.

Stellenweise bat sie uns um eine Schweigeminute, um besondere Stille, an drei Orten war striktes Foto- und Videoverbot und gewisse Dinge konnte man nicht betreten.

Als erstes ging es durch den ‹Tunnel›. In diesem durften wir nicht sprechen und sollen mit unseren Gedanken an die Verstorbenen gedenken.
Im Tunnel (dieser führte auf die andere Strassenseite) wurde durch Lautsprecher die Namen der Menschen welche hier ihr Leben lassen mussten, abgespielt.
Wir hatten beide Gänsehaut und waren uns bewusst, dass die Tour noch gar nicht richtig gestartet hatte.

Nun standen wir auf dem Gelände, wurden für die zehn minütige Einleitung in ein Kino gebeten und erhielten erste Bilder vor Augen geführt welche mit Informationen und auch dankenden Worten an uns gerahmt wurden.


Ein Besuch in Auschwitz ist keine Prestige, viel mehr halten wir das in Erinnerung und führen uns vor Augen, was passieren kann, wenn Hass, Gewalt und Macht ausser Kontrolle geraten und in eine kranke, gefährliche Richtung schlagen.
(ungefähre Worte des Filmes)

In den nächsten drei Stunden erfahren wir von den Anfängen, dass das Konzentrationslager erst wirklich nur polnische Gefangende hatte und erst nach und nach mit Juden von ganz Europa befüllt wurde.
Wir erfahren von Josef Mengele und seinem gebrochenen hippokratischen Eids, der krankhaften Propaganda, der grossräumigen Gebietsräumung, das gerade in Auschwitz 1 auch wirklich Gefangene welche keinen Platz in der Umgebung hatten platziert wurden, wie die Hungerstraffe und die Selektion in Vergasung und Arbeiter vorging, wie die Leute sich teils auch auf die Arbeit freuten und ihr bestes Gewand, ihre besten Kochutensilien und vor allem die wertvollsten Dinge mitbrachten, wie sie beraubt wurden und wie die Machenschaften im KZ selber abliefen. Das oft auch einfach zur-falschen-Zeit-am-flaschen-Ort Gewesene ihr Leben dort liessen mussten, wie ein Tagesablauf aussah, das Schwache und Alte noch extra genötigt wurden, wie das Feuerspiel und die Sportmord-Geschichten von sich gingen, hörten einige individuelle Geschichten von Betroffenen und bekamen aber auch immer wieder Impulse, wie die Gefangenen miteinander versuchten, das Beste aus ihrer Situaiton zu machen und für sich zusammen oder gemeinsam einstanden.

In drei Stunden liefen wir durch das Areal des Auschwitz 1 und durften in einige Gebäuden rein, welche heute als Ausstellungsräume genutzt werden.
Einige waren oder sind gesperrt und schauen uns diese nur von Aussen an. Bei einigen halten wir und bekommen Infos dazu erzählt, andere passieren wir nur und bekommen lediglich die Info, was darin passierte. (Zum Beispiel Lagerraum oder Lazarett)

Das Gebäude von Josef Mengele ist zum Beispiel auch gesperrt und wird wahrscheinlich nie mehr für die Öffentlichkeit geöffnet.
Wir hielten vor dem Block 32 und gedachten an all die Zwillinge, die vielen Kindern welche er verschandete und all seine unverzeilichen Taten.
Bewusst unterband er Medikamentenlieferungen, vergaste nach Krankheitsausbrüchen wie Scharlach, Typhus und Co ganze Barakeninsassen und hatte es vor allem auf die Kinder und Frauen abgesehen.
Vielleicht auch, weil gerade das Frauenlager und das Roma- und Sintilager lange unter seiner Obacht war.

Ich kann gar nicht alles beschreiben wo wir durch liefen, was uns erzählt wurde und was für Emotionen dabei hochkamen.
Hier folgen ein paar Bilder die verstörrend wirken:

Während wir anstanden um in den Raum mit den ganzen gefundenen Haaren zu kommen, kollabierte der etwa 16 Jährige Sohn einer Familie.
Die Solidarität war gross und jeder half wie er konnte.

Einerseits wurde durch das hohe Aufkommen der Touristen ziemlich gedrängt und die Zeit war allemal zu kurz. So war aber auch wie eine gute Abgrenzung möglich, um die Bilder nicht zu tief eindringen zu lassen.
Gerade bei dem riesigen Raum mit dem nie enden wollenden Haarberg wurde uns richtig schlecht.

Die darauf folgende Todeswand mit dem Gefängnis im Nebengebäude gab uns fast den Rest und so waren wir froh, waren wir mit dem Areal 1 fertig.

Nach der Tour durchs erste Areal gab es 10 Minuten Pause und den Treffpunkt beim Bus.
Mit diesem fuhren wir dann nach Auschwitz-Birkenau 2 und setzten dort die Führung fort.
Hier fanden wir dann auch das wohl bekannteste Bild von unseren Köpfen welches mit Auschwitz assoziert wird.

Das grosse Tor mit dem Gleis, welches nur rein und nie wieder raus führte.

Hier besichtigten wir eine Barake, den Güterzug, ein Krematorium, die restlichen Ruinen und Jovana, die Führerin, erzählte auch persönlich wie ihre Oma die Zeit erlebte. (Sie war nicht vor Ort Gefangene sondern quasi eine freie Gefangene und musste unter Zwang Dinge ausserhalb leisten.)

Die Zustände veränderten sich ja erst gegen den Schluss in den Baraken und lange Zeit wurde nur auf dem erst blossen Boden, danach erst auf Heu geschlafen.
Auch gab es erst sehr spät sanitäre Anlagen und der Schlafplatz von einem Quadrat war dieser von 8-10 Gefangenen.

Jovana erzählte von Fluchtversuchen und der schlussendlichen Flucht der Nationalsozialisten. Vom Sprengen der Krematorien und einzelnen Bunkern um die Spuren zu verwischen.
Auch machte sie uns bewusst, dass wir hier eigentlich über einen riesen Friedhof gehen.
Jede Pfütze wurde mit Asche getrocknet, Asche wurde in die kleinen Teichanlagen geschüttet, Asche wurde einfach so über den Platz verteilt und sonst notdürftig entsorgt.

Wir können uns die Zustände von dort niemals vorstellen. Egal wie gut Jovana erzählt und wie nahe sie uns die Schicksale der Betroffenen bringt, wir selber waren nie da und werden ihren Schmerz nicht mal ansatzweise fühlen können.

Die Tour war mit 3-3,5h ausgeschrieben. Nach knapp 5 waren wir auf dem Weg zum Auto zurück und waren platt.
Es war zum einen total heiss, gerade beim Auschwitz-Birkenau 2 war kein Schatten, aber viel mehr waren wir bewegt vom Gehörten und Gesehen.

Die Rückfahrt war still und dennoch hatten wir beide sehr viel Redebedarf um das Erlebte verarbeiten zu können.

Zurück beim Hotel parkierten wir Gian Franco der Dritte erneut beim Hotel, zahlten heute da wir später wie gestern da waren noch weniger und brauchten eine Pause im Zimmer.

Gegen den Abend begaben wir uns auf Essenssuche und assen Pieroggis, bevor es uns nochmals in die Altstadt zog.

Mit einem Zitronenbier setzten wir uns auf die Treppe und verfolgten, was links von uns passierte und übersetzten, was auf dem linken Bild auf dem Plakat steht.
Ein grüner Hacken für Polen, ein rotes Kreuz für Ukrainer.
Eine Demo der Rechten gegen die Massenasylsuchenden Ukrainer.
Diese feierten heute zum Höhepunkt des ganzen Unabhängigkeitstag.

Überall liefen Ukrainer mit ihrer Flagge rum und feierten während links von uns gegen diese geflucht wird.
Von der Polizei wurde das ganze etwas abgeschirmt und in Schacht gehalten.

Es gab zu denken und wie ganz oben beschrieben, wurde mit dem Gesehenen von heute nochmals klarer, was gerade in der Nähe von uns passierte.

Mit ziemlich aufgewühltem Denken ging es zu Bett und dankten einmal mehr, sind wir in einem Land gross geworden, wo wir die Wahl haben und sehr, sehr viel Freiheit geniessen dürfen.

Das Video ist extra nur hier via Blog abrufbar und ist nicht bei Youtube über die Suchfunktion zu finden.

2 Antworten zu “Auschwitz”

  1. Einfach nur schrecklich,was die Leute ertragen mussten.
    Eure Reportage und die Bilder hinterlassen Spuren.
    Manchmal ist uns wirklich nicht bewusst wie priviligiert wir sind.
    Heute hatte ich mal alle Zeit der Welt um Euren Blog nachzulesen.
    Sitzen seit 8 Std im Stau Stopp and Go für 2Km und haben noch 56Km vor uns.
    Aber dass sind Pinats.
    Hoffe Ihr könnt dieses Erlebnis und Eindrücke zusammen gut verarbeiten.
    Gute Nacht glg 😘❤aus England

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert