‹Und ich fragte mich, ob eine Erinnerung etwas ist, das man hat, oder etwas, das man verloren hat…›
Woody Allen
Um 6 Uhr klingelte unser Wecker. Komplett müde rafften wir uns dann doch noch zum frühen Zmorge auf und warteten pünktlich um 7.20 Uhr unten bei der Rezeption.
Einige Minuten später kam schon unser vermeintlicher Fahrer, welcher uns dann aber abwinkte und lächelnd meinte, wir sähen nicht aus wie Ching Liu…
Ja, wirklich nicht.
Aber kein Problem, nach wenigen Minuten kam dann unser Fahrer und wir wurden in den Bus verfrachtet, welcher dann noch eine weitere Stunde Leute auflud und uns schlussendlich zu einer Behindertenfabrik fuhr, in welcher ehemalige Kriegsopfer und Kinder dessen Gemälde und Kust produzierten.
Von dort gings dann aber wirklich zu dem Punkt, wo wir auch hin wollten:
die alten Cu Chi Tunnels welche ein Kriegsüberbleibsel bildeten.
Was wir erst vor Ort erfuhren: unser Führer war 76 Jahre alt und somit dazumal live dabei. Wir erinnern uns, der Krieg ist noch keine 50 Jahre beendet.
Er erzählte immer mehr zu welche Truppe er angehörte und wie es kam, dass er von Hanoi nach Saigon verschoben wurde. (er hat auf der Seite von Amerika/Südvietnam gekämpft und 1975 dann bedingungslos aufgegeben.
Beim erzählen seiner Tätigkeit als Offizier im Krieg, die Zusammenarbeit mit den Amerikaner und das Kapitulieren merkten wir, wie ’nahe› ihm das alles noch ist.
Auch etliche Kriegsschäden sind offensichtlich für unser Auge.
Sein Gesicht ist etwas deformiert durch eine Panzerfaust. Wir durften fühlen, wie noch etliches Metal unter seiner Gesichtshaut stockt und man dies nicht entfernen konnte, da er sonst sein Augenlicht verlieren würde.
Zudem schreit er gefühlt durchgängig. Denn die lauten Schüsse haben das Gehör geschädigt und fragt man ihn etwas, muss man die Frage sehr laut, sehr deutlich oder mehrmals erfragen.
Der Rundgang war total spannend, die Gruppe echt okay (anders wie in der Halongbucht) und vielleicht war es gerade auch seine Erzählungen, die das Ganze noch lebendiger erschienen liessen.
Die Tunnels konnten wir besichtigen, sogar in sie rein klettern und am Schluss auch noch einen ganzen Rundgang unterirdisch machen (dieser war auf westliche Massen angepasst). Wir sagens euch, dieser hatte es in sich. Wer bereits einmal in Katakomben war, kann sich das ganze vorstellen, nur in nochmals viel enger und stickiger!
Denn die Tunnels waren halt für vietnamesische Grössenverhältnisse erbaut und funktionierten mit kleinen Bambusstäben zur Belüftung. Also alles suboptimal, für sie aber die Überlebensstrategie welche über fünfzehn Jahre ihr Überleben sicherte.
Meist verbrachten die Leute Tage, Wochen oder gar Monate und Jahre in den Tunnels. Welche die lange dort waren, konnten nie mehr richtig sehen nach der Kapitulation. Die ewige Dunkelheit führte zu Augenschäden.
Der Rundgang war über drei Stunden und die Informationen so viel, die einem auch zu denken gaben und wieder einmal flammte da eine sehr grosse Dankbarkeit auf.
Ein Highlight war dann noch das Schiessen vor Ort bei welchem sich Marco mit einem Holländer 10 Schüsse teilte.
Mit einer M16, dem amerikanischen Gewehr schoss Marco und laut der Tafel traff er auch mehrmals.

Im Anschluss gab es dann noch Maniok mit Salz/Zucker und ein nettes Gespräch mit zwei anderen Deutschen jungen Herren.
Mit diesen sprachen wir auch die gesamte Rückfahrt non-stop.
Der etwas jüngere ist zu Besuch, respektive vier Wochen am reisen und kam sein Kumpel besuchen.
Dieser wiederum wohnt seit 8 Monaten in Hanoi mit seiner Frau und seiner Tochter.
Seine Frau arbeitet beim Amt für die Vereinigung und bekam das Angebot, drei Jahre in Hanoi für den Raum Asien zu arbeiten. Alle sechs bis acht Wochen muss sie für drei Tage nach Laos oder Kambotscha.
Er arbeitet in Deutschland als Polizist und macht hier nun den Job der ‹Hausfrau› und kümmert sich um die Tochter, lernt Vietnamesisch und versucht sich ins Leben zu integrieren. Es fällt ihm total schwer, er hat starkes Heimweh und vermisst seine Familie und Freunde wahnsinnig. Er selber sagte, dass er hier nicht und wahrscheinlich auch nie ankommen werde. Aktuell sei gerade eine Phase der Erschöpfung, des nicht mehr wollens und könnens. Alles falle ihm doppelt schwer, die Hochsaison der Temperatur bremse ihn aus und was am Anfang noch alles neu und aufregend war, nervt ihn nur noch. Egal ob es die lauten Menschen, der viele Verkehr oder das abzocken sei.
Man kann das drehen und wenden wie man will, vielleicht auch etwas suspekt oder weit her geholt empfinden. Aber wir fanden es total komisch, treffen wir an dem Tag, an welchem wir fanden ‹doch, wir haben uns wieder gefangen und möchten auch wieder Dinge erleben› einen Menschen, dem es gerade so geht, wie wir uns noch vor ein paar Tagen gefühlt haben.
Wir tauschten uns über zwei Stunden aus, wie sich Heimweh anfühlt, wie dich die vielen ‹ersten Male› überfordern, wie schwierig es ist, jeden Tag aufs neue angeschrien zu werden, weil es einfach hier so ist und das Vietnam einfach anders ist als der Rest von SOA.
Wie nervig es ist (und vor allem wie unverstanden man sich fühlt), dass NIEMAND verstehen kann, dass man gerade so fühlt und von JEDEM gesagt bekommt, man soll es doch geniessen, so etwas macht man nur einmal.
Die Begegnung war so toll und wir sprachen noch Tage darüber, auch das wir für ihn hoffen, dass es bald besser wird. Denn er hat im Gegensatz zu uns noch über zwei Jahre hier vor sich.
Am Abend gings dann noch in die berühmte Backpacker-Street von Ho Chi Minh City und fanden ‹unser› Restaurant.
Über zwei Seiten Veggialternativen und Happy Hour.
Wir schlenderten noch längers umher, sahen die berühmten vietnamesischen Tänzerinen (Prostituierte) und flüchteten dann irgendwann noch in ein Kaffee bevor es nach Hause ging.





