Zehn-Monats-Fazit


‹Wir sehen nur das, was uns unsere Erinnerungen zulassen zu sehen.›

Nusch Joachim

Es folgt ein anfänglich pragmatisches Monatsfazit mit anschliessenden Glücksmomenten, schwierigen Momenten und dem aktuellen Befinden.

LänderDatengrössere besuchte Städte
Vietnam18.05. – 15.06.2023Hanoi, Ha Giang, Da Nang, Nha Trang, Ho Chi Minh Stadt
Thailand15.06. – 18.06.2023Chiang Mai, Pai
Tabellenzusammenfassung

GLÜCKSMOMENTE

  • Vietnam, das Land von Marcos Liste
  • Ha Giang Loop und die chinesische Grenze
  • die wundervolle Natur im Norden
  • der P-Pass und die Flughafenlounges
  • die Freude wieder zu finden/fühlen
  • unser nächstes Reiseziel
  • Planung, Vorfreude und Abenteuer auf das Land nach Thailand

SCHWIERIGE MOMENTE

  • Reiseblues, Kulturschock, Pausenbedarf und alles gleichzeitig
  • Heimweh, Lust auf Zeug von zu Hause
  • das Ende naht und das wird uns gerade ständig bewusster
  • Pläne die nicht funktionieren wie gewünscht
  • stornierte Tickets ein paar Stunden vor Abreise

AKTUELLES BEFINDEN

Ohje, wo sollen wir da nur anfangen?
Ich fragte Marco, wie sein Monatsfazit ausfällt. Ganz klar: der schlimmste Reisemonat seit Beginn, zumindest was unsere Gefühle und unser Wohlbefinden auf Reise betrifft.
Es war anstrengend, es war zermürbend, es gab viele Tränen und noch mehr Unverstädnis all der jenigen, die Versuchten uns zu helfen. Das ist nicht böse gemeint, wir fühlten uns nur so überhaupt nicht verstanden.
Diese Erwartungen an uns selbt, diese gut gemeinten Ratschläge, diesen eigenen Stress den man sich macht und die gesamte Situation ist manchmal kaum auszuhalten.
Wir behaupten, dass niemand das nachfühlen kann, wer es nicht selber einmal erlebte. Wir selber hatten, bevor wir darin versanken, ja auch noch nichts vom sogenannten «Reiseblus» gehört. Der Name lässt eine Vermutung zu, wie man sich damit fühlen könnte, steckt man mit beiden Beinen darin, ist es dann doch ganz anders.

Dieses Gefühl des Reisebluses ist, wie man nach dieser deutlichen Behauptung vermuten kann, schwer zu beschreiben und anscheinend noch viel schwerer zu verstehen. Heimweh, Kulturschock?, Eckel, Lärm, Gewusel, Angst über die Strasse zu laufen, Müdigkeit, Lustlosigkeit, absolute Genervtheit: Madame? Foot Masas? (Madame, möchten Sie eine Fussmassage?). Wir konnten es nicht mehr höhren.

Wir wissen nun: Man muss sich selbst rausziehen. Gut zureden verdampft wie der Tropfen auf den heissen Stein. Eine Wirkung ist nicht zu verspüren. Man konnte uns nicht helfen.

Das ganze hatte nichts damit zu tun, dass wir uns ‹zu früh› mit der Wohnung beschäftigten, zu schnell reisten, oder oder oder.
Sätze wie ‹Geniesst es doch einfach!› oder ‹Ich wäre an eurer Stelle so froh über diese Möglichkeit, also jammert doch nicht!› oder ‹So viele Menschen würden so viel dafür geben, können sich das aber niemals leisten und ihr wirkt so undankbar!› oder ‹Ich/Wir haben das schon voraus kommen sehen. Wer so schnell reist, hat früher oder später dieses Problem!› oder ‹Geht doch einfach einen Tag ans Meer oder an den Pool, morgen sieht die Welt schon viel besser aus.›

Es wurde weder nach einem Tag am Pool oder nach massivem zurückschrauben des Programs besser. Auch nicht nach einem Regionswechsel oder etwas mehr Luxus.

Erst nachdem wir herausgefunden hatten, was uns genau stört (und das brauchte Zeit) und wir uns fragten, auf was wir uns wirklich noch freuen, bevor wir wieder Nachhause kommen, konnten wir uns aus unserem Unwohlsein ziehen.


Wir erkannten, dass uns die wenige Zeit wahrscheinlich nur noch jetzt bleibt.
Irgendwann wünschen wir uns eigene Familie, Haus, Katze. Alles Bindungsfaktoren welche nicht einfach für Monate zu Hause deponiert werden können wie unser Sofa.
Also wollen und müssen wir jetzt noch das daraus machen, was unser Herz möchte und das schreit nach Eigenständigkeit, Ruhe, Natur und Selbstbestimmtheit.

Was wir rückblickend anders machten als die meisten ‹Weltreisenden›: wir suchten oft, Länder in welchen wir selber erste Fussabdrücke hinterliessen.
Uns zog es in Länder, die noch nicht voller Blogeinträgen im Internet wimmeln, welche noch nicht auf Instagram in jedem zweiten Reel dargestellt werden, als wäre es das Paradis auf Erden und vor Ort denkst du dir, wo zur Hölle wurde das Video bitte gedreht? Spontan erinnere ich mich an den Ausflug auf den Brownsberg in Suriname. Gemacht für Touristen, aber halt noch ein Geheimtipp. Man spürt noch die «Echtheit» und wird nicht als einer von vielen gesehen.

Wir sassen da in unserem Choco-Coffee in Nha Trang, teilten den eiskalten Donut und probierten jeden Tag eine neue Kaffee-Spezialität. Vietnam wimmelt ja davon und gilt als zweit grösstes Kaffeeexport-Land weltweit.
Auch das ist reisen. Testen, neues probieren und eintauchen in die Kultur.
Aber zurück zu diesem Morgen im Kaffee.

Wir hatten Google-Maps offen und klickten wild Länder an. Suchten nach einem Ziel, auf das wir uns wirklich freuen können. Dass das, und wer weiss, vielleicht auch das Pause machen, das Zureden unserer Familien oder das «Ausheulen» bei anderen uns völlig fremden Personen, uns über die nicht zu überwindende Mauer bringt, haben wir da noch nicht geahnt, aber wohl umsomehr gehofft (das Hoffen half sicherlich auch).


Unsere Kriterien: muss quasi auf dem Heimweg liegen. Wir wollten nicht nochmals zurück auf die amerikanische Seite oder ein Zick-Zack generieren.
Denn wäre dieses Kriterium zum zusätzlichen finanziellen Aspekt nicht gewesen, wären wir wohl in den Norden geflogen, hätten uns ein Campervan gemietet und würden die Lofoten, Norwegen, Schweden und Co besuchen.

Dann war noch ein Kriterium, dass wir raus aus dem Lauten, dem Gewusel von Touristen und der ewigen Frage ‹lady, lady massage? foot massage, back massage?›.

Während Marco Flüge nach Nepal, dem Himalaya und Co anschaute blieben wir irgendwann über Kasachstan hängen und dies für die nächsten zwei Stunden.
Mietwagen finden? – Eine mittlere Katastophe.
Hotelpreise? – Deutlich europäischer in finanzieller Frage und deutlich mehr «Chile» bezüglich Ausstattung.
Flüge dahin? – Teuer.
Und wohin genau? – Das Land ist riesig und bietet sooo sooo viel!

Und dann schauten wir uns an, nickten uns zu und meinten beide ‹Ja komm, das machen wir!›

Das war der Tag, an dem es besser wurde. Wirklich besser wurde. Zwar langsam aber wir waren aus dem ausharren raus. Wir hatten ein Ziel vor Augen und vielleicht erkannten wir, dass wir niemals so werden, wie es dir vorgegaukelt wird. Das berühmte ‹go with the flow› können wir nur sehr begrenzt. Es stimmt einfach auch ganz oft nicht. Du hast nicht immer tausende von Möglichkeiten und wir sind einfach beide zu sehr verliebt in ein bisschen Sicherheit.

Was wir hier festhalten wollen: jeder muss es so machen wie er es für sich richtig empfindet. Und genau so machen wir es auch für uns!

Übrigens um die Bedenken unserer Mamis zu beruhigen:

Kasachstan gilt als ein stabiles Reiseland. Es ist zwar unbekannt, gerade was das touristische betrifft, aber die Menschen seien sehr, sehr hilfsbereit. Hälst du dich an die normalen Sicherheitsmassnahmen und Regeln, sollte dir nichts passieren.
Wir mieten einen Off-Roader bei einem Englisch sprechenden Herren, welcher Motorradtouren anbietet für Touristen.
Er gab uns diverse Tipps, Routenvorschläge und er möchte von uns ziemlich genau wissen, wo durch wir fahren werden.
Sollte etwas sein, würde er uns während der gesamten Zeit abholen/Hilfe organisieren.
Dies alleine, gibt uns ein sicheres Gefühl und wir haben einen Kontakt von einem Paar, welche auch bei ihm ein Auto mietete.

Bleiben wir gespannt, die Natur soll der Atemberaubend sein und wir freuen uns auf Camping, Alaska-Feeling und lassen viel offen um vor Ort entscheiden zu können.

Noch zum Thema Vietnam:

Ich glaube ‹Enttäuschung› kann man nicht sagen. Eher andere ‹Erwartungen› welche nicht eingetroffen sind, vermischt mit noch ganz viel anderem.
Zudem behaupten wir: es gibt hier einiges zu sehen, gerade der Norden hat uns sehr gefallen. Vieles ist aber touristisch (nur wenig Europäer, dafür umso mehr Russen, Inder, Chinesen) überloffen und relativ teuer zum besichtigen.
Wir genossen hier die Reise in die Kultur. Beobachteten in den Kaffees das Miteinadner.
Wusstet ihr zum Beispiel, dass sich Vietnamesen nicht tschüss sagen? Das Extrembeispiel für uns: Sie sitzten zum Beispiel im Kaffee zusammen und reden. Dann ist der Kaffee leer und irgendwann steht die eine Person auf und geht, ohne irgendwas zu sagen.
Als wir im Hotel nachfragten, wurde uns das auch so ungefähr bestätigt. Das ist einfach nicht gängig hier, zumindest nicht verbal. Viel mehr ist es ein sanftes Kopfnicken einander gegenüber.

Wie geprägt das Land vom Krieg ist, ist unübersehbar. Fairerweise: der Krieg ist noch keine fünfzig Jahre beendet und dauerte auch solange.
Aber an jeder Ecke wird dir der Krieg vor Augen geführt und alles sollte dich an diese traurige und prägende Zeit erinnern.

Wir reisten hier anders. Wir reisten weder von Ort zu Ort, beschränkten uns auf vier Stationen um aus dem ‹ich pack aus, ich pack ein› Modus zu kommen und achteten uns auf Kleinigkeiten.
Auf die schönen Blumen zum Beispiel. Oder die kleinen, wenigen Grüninseln im Stadtzentrum.
Oder das Miteinander, das rüpplige, wie Kindererziehung und das Leben hier funktioniert.

Was wir auf alle Fälle bestätigen können: Der Norden unterscheidet sich komplett von Süden.
Wie uns schon vorausgesagt wurde, der Norden wirkt konservativer, gilt als Arbeitervolk.
Der Süden hingegen wirkt offener, geniessen ihre Unabhängigkeit und schlagen wann und wo immer möglich einen drüber.

Danke Vietnam, dass wir an dir wachsen und mit dir erleben durften! Und vielleicht wirkt das Fazit etwas düster aber überzeugt euch selber unten im Video, wie schön es dennoch sein kann und für uns auch definitiv positive Aspekte und Momente gab!

In Thailand war der Start gemütlich.
Die Leute sind total freundlich und hilfsbereit und was am meisten auffällt: Hallo und Tschüss ist Pflicht.
Der Norden, welcher eh als sehr schön gilt; ein bisschen Bekanntes für mich, (es ist nun mehr das dritte Mal für mich in Chiang Mai), und eine gute Unterkunft.
Wir sind gespannt wo es uns weiter hin verschlagen wird und werden uns dem Wetter anpassen. Auf alle Fälle ist unsere Laune sehr gut und wir schmiedeten bereits die ersten weiteren Pläne, Touren und Unternehmungen.

Gelesen, korrigiert und ergänzt von Boma.


2 Antworten zu “Zehn-Monats-Fazit”

  1. Beim Lesen und telefonieren mit euch beiden erhält man ein Einblick in eure Nöte unterwegs. Nebst all dem Schönen und Spannenden sind da die Schwingungen von müde und Wehmut zu spüren.
    Ich(wir) sind stolz auf euch beide wie ihr das Reisen angeht, Ideen entwickelt,weiter geht und wieder Freude findet.
    Alles Gute für die Weiterreise ❤️Vrony

    • Danke viel mal für die lieben Wort.
      Wir sind nun wieder deutlich leichter und mit mehr Freude unterwegs, geniessen die verbleibende Zeit und sind wieder freudig am Pläne schmieden. 😁
      Liebe Grüsse ❤️

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