von Suriname nach Cayenne


Veränderung heisst Vertrauen; Vertrauen ist Veränderung.

Robert Kroiss

Da war er nun, der Morgen an dem wir die Villa Famiri verlassen und nach Cayenne übersiedeln.
Gestern noch schrieben wir mir Zilve, vereinbarten, dass er uns um 8 Uhr abholen wird hier an der Unterkunft, sendeten ihm den Standort und er bestätigte alles via WhatsApp.
20 Euro pro Person sollte uns diese 2,5 stündige Fahrt nach Albina kosten.
Von dort nimmt man die Fähre, die zu bestimmten Zeiten fahrt (die aber niemand wusste) oder man fährt illegal mit den kleinen Bootchen rüber. Einen Ausreisestempel am Zoll? – Comme tue veux!
Ein Bus oder Taxi sollte uns dann noch weitere 3 Stunden von Saint Laurent du Maroni nach Cayenne bringen.
Es gäbe wohl öffentliche Busse, die fahren aber nur sehr selten und nur bestimmte Zeiten, welche uns wieder niemand benennen konnte.
Wir würden unser Glück einfach herausfordern. Und vielleicht auch ein kleines bisschen hoffen, das alles gut kommen wird.

Der Wecker klingelte also um 6:30 Uhr, wir packten die letzten Dinge fertig ein, machten den Room-check-out und brachten unsere Rucksäcke nach unten um anschliessend zu frühstücken.
Es war kurz vor acht Uhr und wir beide waren schon etwas nervös, ob das alles klappen wird.
Und um den Bogen hier noch zu bekommen: nein, er war auch eine Stunde später noch nicht hier und wir liessen dann ein Taxi kommen, mit welchem wir handelten. Er brachte uns dann sehr konform für 2300 SRD (=76 sFr) nach Albina.
Auch er fragte uns sehr durch die Blume, ob wir wirklich zur Boarder wollen.
Und ja, wir wollten. Wir hatten keine Lust auf Probleme und einen Stempel mehr im Pass, stört uns nicht.
Da wir wussten, dass gegen Mittag die Wartezeit an der Grenze wohl katastrophal sein kann, hofften wir auf wenig Leute und auch ohne viele Fragen durch zu kommen.

(by the way hatten wir ziemlich Glück, am Wochenende hat diese Grenzstelle zu und somit wären wir wirklich illegal ins Nachbarsland geschifft)

Wir standen also in diesem kleinen Raum, in welchem sich die Leute kreuz und queer sammelten, irgendwelche Papiere ausfüllten und wir uns erst zurecht finden mussten, wo wir denn unseren Ausreisestempel erhalten. Es brauchte einen kurzen Moment, bis wir den einzigen Wärter im Raum entdeckten und stellten uns in der Schlange an.
Einen Stempel weiter, fragten wir irgendjemand, wie wir nun zur Fähre kommen würden. Er verwies uns freundlich, dass die Fähre erst wieder um 12:30 Uhr fahren würde und wir uns doch einfach an den Steg hinstellen sollten und einem Boot winken sollen. Dieses bringt uns viel schneller rüber.

Gesagt getan. Wenn wir schon von jedem den Tipp mit den kleinen Booten bekommen, machen wir das. Auch hinsichtlich, dass die Fähre noch lange braucht und wir einen Bus erwischen müssen für nach Cayenne und diesen erst noch suchen müssen.
Wir standen also auf dem Fährensteig und warteten. Winkten den wenigen Booten die wir sichteten aber nichts tat sich.
Plötzlich rief uns jemand, wir sollen mit ihm mitkommen, er bringe uns ganz günstig nach Paramaribo. Dankend lehnten wir ab, daher kommen wir ja gerade erst. Wir schmunzelten beide ein wenig und waren irgendwie zufrieden. Angekommen in dieser Welt, wo alles über schnell, schnell und Hauptsache du kommst an funktioniert.
Just in diesem Moment hielt ein Boot am Steg und rief rüber: ‹St. Laurent du Maroni?› Wir riefen ihm ja zurück und er fuhr sein Boot so nah, dass wir einsteigen konnten.
Uns so fuhren wir gemütliche 10 Minuten mit einem Holzboot für 10 Euro zusammen zur Grenzkontrolle in St. Laurent du Maroni.
Dass das Boot bereits Wasser am Boden hatte, welches von unten durch drückte und auch der Motor einige Male kritisch geklungen hat, muss ich wohl nicht erwähnen. Es war ein Abenteuer und wir ziemlich glücklich.

Marco am Bildmaterial sammeln auf dem Boot nach französisch Guyana

Da drüben angekommen, zeigten wir unsere Pässe, wurden abgenickt und standen offiziell in Französisch Guyana.
Wir fragten uns ein wenig durch, wo denn der Bus fahren würde und stellten innerhalb weniger Minuten fest, dass wir mit unserem mangelnden Französisch absolut nicht weit kommen. Englisch – Was ist das für eine Sprache? Jaja, irgendwann wird es das erste Mal sein, das wussten wir schon vor der Reise. Und spätestens weiter unten in Südamerika wird es noch schwieriger werden mit Spanisch. Aber das ist ja noch Zukunft…

Weiter im Text: Wir laufen durch die Hauptstrasse wo auch gerade Markt ist. Die Leute fahren mit Schubkarren und frischem Fisch durch die Strasse, schreien herum, wer frischen Fisch kaufen möchte und hacken diesen auf Wunsch klein.
An einzelnen Stellen stehen so viele Leute, dass kein Durchkommen möglich scheint, bis wir verstanden, da sind Bankomaten.
Da wir eh noch Euros brauchten um den Bus zu bezahlen, stellten wir uns also in die Schlange und merkten schnell, mit unseren Daypacks und Backpacks kommen wir nicht weiter. Also legte Marco sein Gepäck ab, stellte es neben das Haus und ging mit dem Portemonnaie in die Schlange und konnte dann auch direkt ins Gebäude.
Ich wartete draussen mit 4 Rucksäcken und es dauerte keine zwei Minuten, wurde ich von einem Herren angesprochen. So viel ich verstanden habe, hat er sich über die lange Schlange aufgeregt. Irgendwann hat er mich gefragt, wo ich mit dem ganzen Gepäck hin möchte und ob er mir helfen soll. Als ich dankend ablehnte und auf den Bankomat innen zeigte, verstand er, dass Marco zu mir gehörte.
Und zack, war ein zweiter Herr im selben Alter des ersten neben mir, welcher mich ununterbrochen anbrülle, dass er Hunger und Durst hätte. Er wiederholte ständig die selben Sätze ‹j’ai faime, j’ai soife›
Auffällig war mehr, dass beide ständig unsere Backpacks anschauten und es jeweils nur wenig gebraucht hätte, um einen zu packen.
Zur gleichen Zeit beim Bankomat wurde Marco angesprochen und in der Menschenmenge fast erdrückt. Ständig drängelte immer wieder jemand nach vorne.
Der erste Herr welcher mich ansprach erklärte mir in aller Ruhe den Weg zum Busbahnhof, beschrieb die Kirche an welcher wie abbiegen müssten so genau, als wäre es übersehbar.
Irgendwann wurde ihm aber das Brüllen des anderen Herren auch zu viel und schrie diesen an, er solle weg gehen.
Mir wurde es irgendwie zu viel und unheimlich. Hinter mir standen nun auch einige Männer und ich suchte den Augenkontakt zu Marco, welcher von den anderen Herren bedrängt wurde.
Anscheinend sah jedoch ein anderer Herr die Situation und rief Marco zu, dass er zu mir schauen solle.
Und ab da verschwanden viele Herren die mich umzingelten und ich fühlte mich sofort wohler.
Wir wissen nicht, ob das ein abgesprochenes Spiel war, es Zufall war, dass mir der erste Herr wirklich nur helfen wollte oder es einfach normal gewesen ist.

Auf alle Fälle zogen wir weiter. Auf iOverlander sahen wir noch einen anderen Bankomat und so liefen wir weiter der Strasse entlang. Nach guten 2 Kilometer merkt man den Rucksack dann auch und die schwüle Hitze dazu ist göttlich. 😁

Dort angekommen konnten wir in aller Ruhe ohne andere Menschen Geld abheben und fragten zwei Jugendliche, wo wir den Busbahnhof finden können. Das Mädchen war so nett und begleitete uns sogar dahin, bis wir ihn sehen konnten. Er war zum Glück keine 500 Meter entfernt von uns.

Wir standen in einer offenen Halle, an einem Haltepoint sassen einige Leute und Marco fragte ungehemmt eine Einheimische, ob der Bus nach Cayenne fahren würde. Sie bejahte und sagte dann, dass dieser um 13 Uhr abfahren würde. Es sei der letzte für heute.
Es war 12:30 Uhr. Was hatten wir für ein Glück!

Wir lösten das Ticket bei dem Herrn welcher umher lief, bezahlten und luden die grossen Backbacks ein und stiegen dann selber ein. Wir hatten es geschafft.

Nun hiess es fahren. Drei Stunden laut google Maps. Wir vergassen aber die ganzen Pausen, das ständige anhalten um noch Leute mit zu nehmen oder raus zu lassen und somit wurde es dann 17 Uhr, bis wir in Cayenne am Busbahnhof ankamen.
Dort angekommen stiegen wir raus und wurden sofort angefragt, ob wir einen Transport nach Venezuela oder nach Brasilien brauchen. Wir lehnten ab und fragten nach einem Taxi.
Denn unsere Hosterin hat uns geraten ab Cayenne mit dem Taxi herzufahren, da der ÖV hier nicht funktioniere. Vor allem an den Abendstunden.

So wurden wir zu einem Herren verwiesen, tippten die Adresse in sein Handy ein und stiegen ein. Den Preis den wir zuvor abgemacht hatten, kam uns absolut überrissen und unangebracht vor für knappe 8 Kilometer.
Dass wir dann die Adresse nicht auf anhieb fanden war auch irgendwie klar. Schon zuvor schrieben wir der Hosterin, dass die angegebene Adresse bei google Maps nicht existiere und die GPS Koordinaten welche sie hinterlegte, ganz eine andere Ortschaft anzeigen würde. Ihre Antwort war sachlich: Ihr werdet es schon finden.
Zum Glück hatte ich ihre Telefonnummer und gab diese unserem Fahrer, welche sie kontaktierte mit original übersetzt: ‹Hallo, ich habe hier zwei Weisse in meinem Taxi und die suchen dein Haus.›

Eine kurze Suchaktion später waren wir da, bezahlten die 40 Euro und bekamen dann von der Hosterin gesagt, dass das ganz normale Preise wären. Wir wurden also nicht abgezockt sondern standen mitten in der Inflation und quasi auf EU Boden. Willkommen zurück.
Unsere Hosterin spricht auch kein Englisch, nicht mal yes oder no und so war der Rundgang in unserem T1 (=ein Zimmer) sehr einseitig. Sie sprach, zeigte uns alles Haar genau und erklärte bis ins kleinste Detail. Am meisten Zeit widmete sie der Klimaanlage. Sie versuchte uns mit Händen und Füssen klar zu machen, dass wir diese nur im Notfall nützen sollten und wir sparsam damit umgehen sollen.
Ansonsten stellte sie uns den berühmten französisch-guyanischen ‹Rhum› mit einer Limette und Zimtzucker bereit zum probieren und zog sich dann zurück. Sie wohne oben dran und wir können sie rufen, sollte etwas sein.

Ja und dann kamen wir an. In einem quasi Einleger-Zimmer.
Eine Küchenzeile, ein Bartisch und zwei Barhocker aus Plastik, ein französisches Bett mit Moskitonetz und ein Ikearegal sowie eine Kleiderstange.
Daneben ein kleines funktionelles Bad mit Dusche.
Es wird reichen und wir wussten beide, dass wir für etwas besseres, viel mehr Geld in die Hände nehmen müssten und das wollten wir nicht. Gerade nicht, als wir sahen, wie teuer das Leben hier ist.

Wir warteten gar nicht lange, zogen uns kurz um und liefen die Strasse des Wohnquartiers hoch um etwas zu Abendessen zu finden.
Auch hier erschlug es uns fast von den Preisen.
Für eine Schüssel Salat 16 Euro zu bezahlen ist einfach nicht in unserem Budget vorgesehen. So entschieden wir uns für den kleinen Supermarkt nebenan und wollten da etwas zum selber kochen kaufen.
Dass 500 Gramm Nudeln 2.50 Euro kosten und die Tomatensauce dazu auch nochmals so viel, lies uns leer schlucken. Das werden teure Tage. Alleine das stille Wasser für 3.30 Euro und auf das kann man bei bestem Willen nicht verzichten.

Nicole fragte dann eine jüngere Dame die ihr Körbchen ohne gross nachzudenken, so schien es zumindest, fülle. Diese sprach sehr süsses französisches Englisch und erklärte, dass alles hier so teuer sei seit dem Krieg, es aber hier im Laden extremer sei. Sie zeigte mir eine Adresse in Cayenne von einem Supermarkt, welches ein Discounter sei. Sie gehe einmal die Woche dort hin zum Grosseinkauf.

Ein Zufallsfund später fanden wir eine Reispfanne für 3 Euro und kauften kurzerhand diese mit einer Dose Linsen und Essig sowie 5 Liter Wasser und gingen damit zurück in die Unterkunft.
Ja und ab da fing dann auch das lebende Miteinander an.
Beim Kochen fanden wir Kakerlaken, riesige Ameisenstrassen und einige Glühwürmchen.
Gemeinsam entschieden wir während des Znachts, dass wir schauen, wie wir schlafen und morgen entscheiden, ob wir die Unterkunft wechseln wollen.

Nach einem eher faden Znacht ging es dann auch schnell ins Bett.
Ich war so müde, dass ich trotz des feuchten Bettes sofort einschlief während Marco noch ein bisschen Netflix schaute.


Eine Antwort zu “von Suriname nach Cayenne”

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